Am ersten und vermutlich auch am bevorstehenden zweiten Spieltag der aktuellen Saison werden die Mannschaftskapitäne der Heimmannschaften einen Text der Sportverbände verlesen. Diese Aktion ist eine der Reaktionen, die beim Sicherheitsgipfel in Berlin beschlossen wurden, um das „Fanproblem“ und insbesondere den Einsatz von Pyrotechnik in den Griff zu bekommen.
Eben dem Sicherheitsgipfel, zu dem erneut keine Fanvertreter eingeladen waren, bei dem Vertreter der Verbände und Vereine über die Fans, statt mit ihnen gesprochen haben. Noch schlimmer wiegt, dass dort ein Verhaltenskodex ohne Einbezug der Fans ausgearbeitet wurde, der uns nun vorschreiben soll, wie wir unsere Fankultur ausleben sollen.
Aber wer gibt Politikern oder Leuten aus den Logen das Recht Fankultur zu definieren, ohne uns Fans zumindest zu fragen? Für uns ist klar, dass wir einen solchen Kodex niemals akzeptieren werden, da ihm in unseren Augen jede Legitimation fehlt. Dabei spielt es keine Rolle, dass viele Punkte auch für uns Selbstverständlichkeiten sind.
Der verlesene Text richtet sich gegen Gewalt, Rassismus und Böller, was allesamt absolut nachvollziehbare und unterstützenswerte Aufrufe sind. Im selben Atemzug wird aber auch der Einsatz von Bengalos genannt, was ein rhetorisch nicht ungeschickter, aber dennoch leicht durchschaubarer Schachzug seitens der Verbände ist. Hier wird bewusst daran gearbeitet, den Einsatz von Pyrotechnik weiter zu dämonisieren und den Fans so jedwede Lobby für ihre Legalisierungsbemühungen zu nehmen, indem Bengalos in einen Topf mit Rassismus oder Gewalt geworfen werden. Anstatt den Dialog zu suchen und tatsächlich ergebnisoffen zu diskutieren, täuschen die Offiziellen die Öffentlichkeit immer wieder mit falschen Behauptungen. Mal mit einer tendenziösen Umfrage, mal mit einem falsch ausgelegten Rechtsgutachten. Das Thema ist leider derartig komplex, dass man den Ottonormalfan schnell mit einigen Schlagworten davon überzeugen kann, dass es sich nur um Randale und Chaoten handele. Ein sachlicher Diskurs, bei dem die Fans argumentativ wirklich erstaunlich gut aufgestellt sind, wird so im Keim erstickt.
Der nun verlesene Text ist für uns daher kein ernst gemeintes Bekenntnis gegen Gewalt, Rassismus oder Böller, sondern ein populistischer, von oben oktroyierter Versuch das Stadionpublikum gegen Pyrotechnik aufzuhetzen. Schon in Freiburg hat die USM unter dem Motto „DFB-Wahnsinn abpfeifen“ eine Protestaktion mit Hilfe des Einsatzes von Trillerpfeifen bei der Verlesung des Textes durchgeführt. Wir unterstützen diesen Protest, da wir die Formulierungen als manipulativ und fernab jeder Sachlichkeit empfinden. Sollte der Text auch am Freitag verlesenen werden, sollte es egal sein, wie die Reaktionen im Stadion dann aussehen. Uns ist sehr bewusst, dass ein Großteil diesen Text unreflektiert abnickt und ihn mit Applaus belegt. Jeder sollte daher in der Lage sein, andere Meinungen zu akzeptieren. Da brauch es keine in die Luft gereckten Mittelfinger oder wilden Pöbeleinlagen! Trotzdem möchten wir euch alle bitten, ganz genau über diesen Text nachzudenken. Auch wer dem Einsatz von Pyrotechnik kritisch gegenübersteht, sollte die hier angewandte Methodik hinterfragen.